Geschrieben und gesprochen von Johanna Wolff und Wiebke Stämmler.
Hörstation 10: Der Schäferwagen
Horch a mol
Der Schäferwagen wird im Sommer vom Schäfer als Schlafmöglichkeit genutzt, wenn er mit seinen Schafen weiters weg unterwegs ist. Dabei gibt es unterschiedlich Große, welche jeweils Vor- und Nachteile haben. Außer den Schafen wird der Schäfer immer von Hunden und Eseln begleitet.
Lies a mol
Fast wie ein fahrbarer Sarg sahen die kleinen Schlupfkarren aus. Darin verbrachte der Schäfer die Nächte bei seinen eingepferchten Schafen. So konnte er schnell zur Stelle sein, wenn durch wilde Tiere, Dieben oder Unwetter Gefahr für seine Herde drohte.
Das Foto stammt aus dem Ausstellungskatalog "Auf der Hut. Hirtenleben und Weidewirtschaft, herausgegen von Maximilian Böhm u.a., erschienen 2003, Seite 208.
Bis ins 21. Jahrhundert waren die Schäfer mit kleinen, zweirädrigen Karren unterwegs. Hier wurde kein großer Wert auf Komfort oder Behaglichkeit gelegt. Bei den besonders kleinen Schlupfkarren kroch der Schäfer mit den Beinen voraus hinein. Umdrehen konnte er sich im Wagen nicht. Auch Sitzen war kaum möglich. Die Karren wurden von Schreinereien, Wagnereien oder Zimmereien hergestellt. Als die Schafhaltung im 19. Jahrhundert einen kurzen Boom erlebte, wurden sie sogar industriell hergestellt. Seit den 1950er Jahren wurden die Schafherden jedoch mehr und mehr auf Koppeln gehalten. Gleichzeitig konnte man mit dem Auto viel schneller vor Ort sein. Damit verschwanden die traditionellen Schäferkarren.
Wir befinden uns hier am Schäferwagen. Der Schäferwagen ist eine Übernachtungsmöglichkeit von mir, dem Schäfer Gottlieb Neubert.
In der Frühjahrs- und Sommerzeit, in der alle Schafe auf der Weide sind, verbringe ich dort ab und zu meine Nächte. An manchen Tagen kommt es nämlich vor, dass ich mit meinen Schafen weiter weg wandern muss, um sie dort grasen zu lassen. Wenn die Distanz zu weit ist, sodass ich abends nicht wieder nach Hause zurückkehren kann, schlafe ich nachts im Schäferwagen.
Ihr könnt gerne einen Blick durch das Fenster in meinen Wagen werfen. Ich habe wirklich Glück, denn mein Schäferwagen zählt zu den vergleichsweise großen und ist mit Blech bedeckt, damit ich vor Unwettern geschützt bin. Dafür kann ich ihn wegen der Größe nicht allein bewegen, weshalb mein Schlossherr Pferde anspannen lässt.
Die besser ausgestattete Schäferwagen haben sogar einen Ofen. So einen hätte ich auch gerne, damit könnte ich mir abends ein Feuer machen und müsste nicht die ganze Zeit frieren. Und 'ne warme Suppe nach einem langen Tag wäre schon auch schön.
Es gibt aber auch deutlich kleinere Schäferwägen. Wie den Schlupfwagen. Die sehen ein bisschen aus wie ein Sarg und sind so eng und klein, dass ich darin nur liegen könnte. Andererseits sind sie so leicht, dass sogar Esel sie ziehen könnten.
Wenn ich mit meiner Herde unterwegs bin, begleiten mich meine Esel. Nicht nur um sie als Last- und Zugtiere einzusetzen, sondern weil sie einfach sehr aufmerksam sind. Während ich nachts schlafe, sind sie meine Wächter vor Wölfen und anderen wilden Tieren. Falls etwas ist, schlagen sie Alarm und ich werde wach. Die Hunde kuscheln sich gemeinsam unter den Schäferwagen.
Meine Frau Barbara übernachtet natürlich nicht mit draußen. Vielleicht will ich trotzdem nicht immer allein schlafen, sodass das ein oder andere Schäferstündchen stattfindet.
Info zum Audioguide
Das Coburger Freilichtmuseum zum Mitmachen hat im Sommersemester 2024 Studierende der Hochschule eingeladen, den Alltag der Menschen, die hier früher gelebt haben, akustisch erlebbar zu machen. Rings um den 300 Jahre alten Schafstall haben sie sich auf die Suche nach dem früheren Arbeits- und Lebensalltag der Schäferfamilie und ihrer Tiere gemacht.
Der Audioguide macht an zehn Hörstationen erlebbar, wie ihr Alltag vor hundert Jahren aussah. Die Studierende der Sozialen Arbeit und der Betriebswirtschaft haben ihnen ihre Stimmen geliehen und dabei auch Erfahrungen aus unserer heutigen Welt einfließen lassen
Das Seminar wurde von dem Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Christian Holtorf und der Sozialpädagogin Beate Weigle M.A. geleitet und von Museumsleiterin Dr. Chris Loos beraten.